Eine Chance für Rotkohl!
Er sieht cool aus. Er steckt voller Power. Er ist ein Gaumenschmaus. Ihr merkt, ich hege eine gewisse Leidenschaft für Rotkohl. Das Traditionsgemüse muss nichts mit bürgerlicher Spießigkeit zu tun haben. Er ist wieder da – als regionales Superfood auf den Tellern von Gesundheitsfreaks und Foodies aller Couleur. Wieso das nur eine Frage der Zeit war, hier nun im Detail.
Wo soll ich nur anfangen? Vielleicht bei dem Smoothie mit der Wahnsinns-Farbe, den ich vor einiger Zeit mit Rotkohl gemacht habe. Damals beauftrage mich der aid Infodienst (heute das Bundeszentrum für Ernährung) damit, eine Multimediareportage über Rotkohl zu entwickeln. Ich war zunächst nicht so begeistert, nicht gerade sexy das Thema dachte ich. Egal, ich habe mich eingearbeitet und zusammen mit der zuständigen Redakteurin so viel Spannendes zum Thema Rotkohl herausgesucht, dass ich selbst am Ende auch begeistert war. Und da hierbei auch Rezepte wichtig waren, kreierte ich eben dieses Rezept für den wunderschönen Smoothie.
Hier der Link zur Online-Reportage
http://aid-rotkohl.pageflow.io/rotkohl#26085
Machen wir weiter mit meinen Tipps zum Kauf, Lagerung & Co.
Klar sind knackige, unversehrte Blätter erst mal ein gutes Zeichen, aber Rotkohl muss beim Kauf wiederum auch nicht perfekt aussehen, die äußeren Blätter macht man ja ohnehin ab. Exemplare die ungewöhnlich weich, labbrig oder schon an der ein oder anderen Stelle faulig sind, würde ich aber eher nicht kaufen, in diesem Fall wurde er ungünstig gelagert. Normalerweise kann man ihn aber gut aufheben, schön luftig in dunklen und kühlen Räumen sogar mehrere Wochen. Kommt nicht auf die Idee, ihn dabei in Folie zu wickeln!
Wer einen super modernen Kühlschrank mit einem speziellen Fach mit feuchtem Klima hat, kann seinen Kohl dort Monate liegen lassen, es sollte dann aber auch nicht wärmer als 4 Grad sein. Auf keinen Fall Obst oder Gemüse danebenlegen, die das Reifegas Ethylen freisetzen, der Rotkohl wird dadurch schneller welk.
Ab in den Froster!
Es kann sehr praktisch sein, Kohl nach Belieben fertiggekocht und gewürzt portionsweise einzufrieren und dann zum Essen einfach nur schnell warmzumachen. Wer sich das Rezept noch etwas offenlassen will, blanchierten die geschnittenen Blätter einfach nur und friert sie dann ein. Aus geschmacklichen und optischen Gründen sollte man ihn aber nicht länger als ein halbes Jahr im Froster lassen. Aromen und Farben sind nicht unendlich haltbar.
Ok, das Kleinschneiden nervt!
Das Holzbrett ist rot, die Finger auch und außerdem schmerzt das Handgelenk, weil man so fest drücken musste – der Rotkohl macht es uns Köchen nicht immer leicht. Aber nicht verzweifeln. Nehmt ein olles Bett oder eben ein dunkles oder eins aus Glas, irgendwas wird schon zu finden sein. Fixiert es gut, legt dafür z.B. ein feuchtes Tuch drunter. Dann gilt: Wer ein paar Küchenhandschuhe überstreift, ist in Punkto saubere Finger klar im Vorteil. Aber im Ernst – die Farbe geht mit Seife und etwas Zitronensaft schnell ab.
Beschwert Euch nicht, dass es harte Arbeit ist – wenn das Messer klein und stumpf ist kein Wunder! Also, gutes Schneidewerkzeug muss her. Und dann oben einstechen, Kohl gut fixieren auf dem Brett und mit Hebelbewegungen nach unten schneiden. Zack halbieren. Zack vierteln. Zack Strunk raus. Und dann einfach feine Streifen runterschneiden. Fertig. Eine Entschädigung gibt es dann: Rotkohl muss man nicht waschen, innen wird man kein Krümelchen Sand oder ähnliches finden, dafür liegen die Blätter viel zu eng aneinander.
So koche ich Rotkohl
Er mag es kurz und heftig aber auch langsam und sanft. Alles geht. Aber auch roh ist er ein Gedicht. Seid kreativ in der Küche! Neben dem klassischen Schmorkohl mit Rotwein, Lorbeer, Nelke und Apfel kommt der rote Freund auch schon mal in ungewohnter Form auf den Tisch. So z.B. auf meinem Flammkuchen drapiert (Rezept von letzter Woche). Der Rohkostsalat wird in zwei drei Wochen nachgereicht. Fermentiert ist er auch nicht schlecht, Ihr habt dann quasi ein lila Sauerkraut!
Egal ob roh oder gekocht, viele Früchte passen super gut zum Rotkohl. U.a. Orangen, Feigen und Rosinen untermischen, dann noch mit Zimt, Kreuzkümmel oder anderen exotischen Gewürzen abschmecken. Es ist unglaublich!
Weitere Rotkohlrezepte in meiner Multimediareportage
https://www.bzfe.de/_data/files/Rotkohl_Rezepte.pdf
Blau oder purpur?
Überall riecht man nach dem Kochen von Kohl die penetranten schwefligen Gerüche. Ein Schuss Essig mildert das etwas ab. Säure hat aber noch eine andere Wirkung – nämlich auf die Farbe. Gebt Ihr beim Kochen eine solche Säure in Form von Essig dazu, oder auch z.B. Äpfel oder Orangensaft, dann wird der Rotkohl eher rötlich bis purpur. Lasst Ihr die Säure weg, wird er eher bläulich, daher nennt man ihn auch vielerorts Blaukraut. Richtig blau wird er, wenn man Natron hinzufügt, denn es reagiert basisch.
Schuld an dem Durcheinander sind die natürlichen blauen Farbstoffe im Kohl. Die Anthocyane sind sehr gesund – aber auch super empfindlich. Je nach pH-Wert sehen sie anders aus: Ist er sauer, dann sind sie eben rötlich bis purpur, ist der pH-Wert basisch, werden sie blau. Schon beim Wachstum ist ein Unterschied erkennbar. Ist der Boden eher alkalisch, sind die Köpfe blau und dunkel, ist er eher sauer, kommt der Kohl eher lila daher.
Man kann Gemüse auch totkochen!
Rotkohl in seiner ursprünglichen Form ist per se gesund und kalorienarm. Es kommt also darauf an, was Ihr daraus macht. In Sachen Vitamin- und Mineralstoffgehalt hat er viel zu bieten, je länger er kocht, desto mehr Vitamine gehen flöten. Er soll lange schmoren? Dann bitte sanft bei wenig Hitze! Ihr schont die gesunden aber empfindlichen Vitalstoffe, wenn Ihr es wie die Asiaten macht: Kurze Zeit bei größerer Hitze in Öl anbraten. Einige Vitamine werden vom Körper ohnehin besser aufgenommen, wenn Fett im Spiel ist, egal ob Öl, Sahne oder Butter. Oder versucht mal das hier: In wenig Wasser oder Brühe bei geschlossenem Deckel und reichlich Hitze wenige Minuten garen bzw. dünsten. Den Sud als Soße verwenden.
Noch ein gesundheitliches Plus
Kohl galt schon immer als traditionelles Heilmittel. Das kommt nicht von ungefähr, denn heute sind viele positiven Wirkungen einzelner Inhaltsstoffe wissenschaftlich nachgewiesen. Da sind z.B. die Senfölglykoside, durch die er manchmal etwas bitter bzw. scharf schmecken kann. In ihrer bioaktiven Form sollen sie gegen Entzündungen und Infektionen mit Bakterien und Viren helfen und das Tumorwachstum hemmen. Damit die gesunden Stoffe aktiviert werden können, ist es wichtig, dass der rohe Kohl gut zerkaut wird. Durch Hitze wird die Produktion verhindert.
Es knallt!
Lecker war der Rotkohl, und dann geht es los. Der Bauch schwillt an, es zischt und grummelt und dann das Feuerwerk. Verursacher sind gerade die gesunden Stoffe, die komplexen Kohlenhydrate und Ballaststoffe. Die finden sich im robusten Rotkohl reichlich. Der Dünndarm ist mit ihnen schnell mal überfordert, so rutschen sie in den Dickdarm und hier greifen die Bakterien an. Es bilden sich dabei übelriechende Gase, die aber erstmal gebunden werden und in das Blut entweichen und abtransportiert werden. Aber damit ist irgendwann Schluss, die Kapazität ist erreicht und es kommt, wie es kommen muss: Zum Knall. Ein gesunder Darm entlässt den Sturm problemlos, manch ein Zeitgenosse beklagt sich aber über Schmerzen, dann, wenn die Luft eben nicht einfach so nach draußen kann.
Kamillenblüten, Fenchel, Anis, Pfefferminz oder Kümmel – sie helfen unserem Darm! Ihre ätherischen Öle entkrampfen ihn oder wirken antimikrobiell – auf diese Weise drosseln sie das Teufelswerk der Bakterien. Die Kräuter und Gewürze könnt ihr entweder in das Gericht beben oder eben als Tee vorher trinken.
Habt Ihr einen empfindlichen Darm, dann besonders den rohen Genuss von Rotkohl nicht übertreiben! Mein Tipp: Für Smoothies und Rohkost eher die zarten Blattteile verwenden, kräftige Stile und Strünke entfernen.
Übrigens sind Weiß- und Rotkohl echte Heimatgemüse. Fast das komplette Angebot – ob Konserve, Tiefkühlware oder frischer Kohl – stammt aus dem heimischen Anbau.